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Einfach näher dran

In regelmässigen Abständen werden wir hier über unsere kreativen Winterthurer berichten, wie und wo sie arbeiten und wie sie zu ihrem Hobby oder ihrer Berufung gekommen sind.

Bei Erwin Schatzmann im Morgenland

Werkplatz: Vielen Dank, dass ich hier in dein Reich kommen darf, wo du wohnst und arbeitest. Was hast du eigentlich ursprünglich gelernt?

Erwin Schatzmann: Ich habe nach der Sekundarstufe das KV gemacht. Nach der Lehre habe ich noch ein Jahr im Büro gearbeitet, bevor ich dann für drei Jahre nach Indien gereist bin. Dort habe ich andere Dinge gelernt, auch im Spirituellen- und Lebensentwurfsbereich. Als ich wieder nach Hause gekommen bin, habe ich aus dem Stand heraus beschlossen: «Ich werde jetzt Kunstmaler!». Ich habe aber nie eine Ausbildung in Richtung Kunst gehabt, ich habe einfach angefangen.

Hat dir die kaufmännische Lehre etwas gebracht für das künstlerische Leben?

Ja, als Künstler ist man ja auch Unternehmer. Kunst zu verkaufen ist im Grunde genommen die grössere Kunst als sie zu machen. Darum muss man auch das Büro im Griff haben. Am Anfang muss man sich auch mal ausrechnen, ob man es sich überhaupt leisten kann, Künstler zu werden: die Investition in Atelier, Werkzeug etc. kann eventuell grösser sein als der Gewinn, wenn man wenig oder nichts verkauft.

Ich habe Englisch gelernt, das war sehr gut für die Reise. Ausserdem habe ich Schreibmaschineschreiben gelernt, ich kann immer noch blind mit 10 Fingern einen anständigen Brief schreiben. Aber insgesamt ist es trotzdem eine langweilige Zeit gewesen. Rückblickend hätte es sicher andere Lehren gegeben, die mir mehr gebracht hätten.

Mein künstlerisches Talent ist zu der Zeit noch vollkommen vergraben gewesen, meine Schulzeit hat das überhaupt nicht gefördert. Es hat auch in meiner Familie und Verwandtschaft niemanden gegeben, der sich mit Kunst befasst oder ansatzweise verstanden hätte. Daher hatte ich auch nicht gewusst, dass es eine Kunstgewerbeschule gibt.

Ich bin auf einem abgelegenen Bauernhof aufgewachsen, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Ich hatte kaum Kontakt zu Kindern, bin nie in einen Kindergarten gegangen und meine Geschwister waren 10 und 15 Jahre älter als ich. So habe ich mich immer selbst beschäftigt und meine eigene Welt aufgebaut. Meine Eltern sind zwar ganz lieb gewesen, haben mir aber auch nicht helfen können. Die waren ganz für ihren Hof da, für sie ist eine Fahrt nach Zürich schon eine Weltreise gewesen. In der Dorfschule sind alle zusammen, von der ersten bis zur sechsten Klasse, unterrichtet worden. Die Bauernkinder in meiner Umgebung haben alle eine handwerkliche Lehre gemacht. Dass man aufs Gymnasium geht, galt schon als recht vermessen, die «Sek» war schon das höchste, was es in der Welt gegeben hat.

Es war eine andere Zeit. Man hat ja gerade mal Radio Beromünster gehabt, natürlich kein Fernsehen, kein Auto. Wir hatten kein Badezimmer, meine Mutter hat das Wasser noch auf dem Holzherd warmgemacht. Es war wie auf einer Alphütte. Aber so war es für mich ganz selbstverständlich, bescheiden zu leben. Also alles, diese «Zurück zur Natur» und «2000-Watt-Gesellschaft», das habe ich alles schon längst erlebt. Und trotzdem habe ich gedacht, wir seien reich. Wir haben ja alles gehabt, wir haben nicht gefroren oder gehungert. Wir sind auf eigenem Land gewesen. Wir haben uns von niemanden etwas sagen lassen müssen. Mein Vater war ja nicht angestellt, der war Herr über seinen Hof. Das ist vielleicht etwas, das ich mitbekommen habe, das Selbständige. Auch, dass man nicht so viel von aussen gebraucht hat. Wir sind ja autonom gewesen. Wir haben aus dem Garten gelebt, sind kaum einkaufen gegangen. Wir haben vieles selber gemacht und geschaut, wie es anders geht, etwas neu kaufen ist immer die letzte Option gewesen. Meine Mutter hat alle Socken selber gestrickt und wenn der Pullover zu klein geworden ist, wurden längere Bündchen angenäht, dann war er wieder gross genug.

Mit welchen Werken hast du deine Kusnt begonnen?

Schon in Indien habe ich, 20jährig, angefangen zu malen. Meine Freundin hat mich dann darauf aufmerksam gemacht, dass ich gut zeichnen könne, was mir vorher noch niemand gesagt hatte, und bat mich, ihr Reisetagebuch zu bebildern. So bin ich zum Malen gekommen und habe dann nach meiner Rückkehr beschlossen, Kunstmaler zu werden. Da ich damals schon wenig zum Leben brauchte, hat das auch funktioniert. Ich habe ab und zu etwas verkauft und es hat zum Leben gereicht. Irgendwann habe ich mir einen Brennofen gekauft und Keramik gemacht, das war der Einstieg ins Dreidimensionale. Im Wald habe ich dann bei umgehauenen Baumstümpfen Gesichter eingeschnitzt. Zunächst wurde ich im Freundeskreis angefragt, später habe ich grössere Objekte geschnitzt, erst nature und dann mit Farbe. Das ging soweit, dass ich auch von Schulen angefragt wurde, Kurse zu geben, was ich dann mit Kindern und Jugendlichen gemacht habe.

Haben die Jahre in Indien dein Leben stark beeinflusst?

Ich bin reformiert aufgewachsen, in unserer Kirche gab es nur eine weisse Wand mit zwei Bibelsprüchen, das hat mich nicht wirklich inspiriert. Auch in der Schule gab es keine Museumsbesuche, die ganze Kunstwelt stand mir daher nicht offen. Das hat mir dann schon gefallen, als ich in Indien die Tempel und all die schönen Gebäude gesehen habe. Vor allen Dingen in Nepal, dort sind die Tempel aus Holz und die Fensterumrandungen reich geschnitzt, das hat mir sehr gefallen. Als ich dann heimgekommen bin, habe ich das auf meine eigene Art entdeckt. Ich habe das aber nicht kopieren wollen, ich habe das alles aus mir selber geschöpft.

Was mich sehr beeindruckt hat, waren die Wandermönche, die ohne Besitz, ohne Ehe, Familie oder Haus auskommen. Alte Männer, die alle Zeit der Welt hatten ummit ihnen zu philosophieren. Das war schon ein Offenbarung für mich. Hier habe ich ja als junger Mann eher Ablehnung von den Alten erfahren. Ich hatte lange Haare und war ein Hippie und wurde dafür von der älteren Generation ausgegrenzt, da wurde man angepöbelt: «Für solche gibt es hier keinen Platz!»

Die indischen Sadhu sind mir immer sehr freundlich und wohlwollend entgegengetreten. Da habe ich beschlossen, dass ich auch so werden möchte. Die Sadhu sind sehr respektiert in der Bevölkerung, es gilt als ehrenwert, so zu leben. In der Zeit habe ich beschlossen, Kunstmaler zu werden.

Was war dein schönster Auftrag?

Eigentlich schon die Bank auf dem Kirchenplatz. Dass ich den Baum zur richtigen Zeit hatte; dass er so geworden ist, wie er ist; dass man ihn dort hat hinstellen können; die Wirkung, die er entfalten konnte. Das waren irgendwie Gottes Wege, anders kann man es nicht sagen. Das hätte man nicht einfach so «machen können».

Aber auch der grosse Baum, den ich in Töss machen durfte, ist sehr schön.

Die Bank am Kirchplatz renovierst du gerade, machst du das freiwillig oder wirst du beauftragt?

Also, die Stadt hat den Baum nicht gekauft. Die Bank wurde aus dem Nachlass von Walter Peterhans finanziert. Er hatte verfügt, dass aus seinem Nachlass etwas für die Altstadt gemacht werden soll. Daher bin ich dann von seiner Witwe beauftragt worden. Sie hat mich bisher auch für die Renovierungen bezahlt. Allerdings ist die Zeit, die die Bank noch hält, begrenzt. Vielleicht hält sie noch 5-7 Jahre, aber die «biologische Uhr» tickt bei Holz, das im Freien der Witterung und der mechanischen Belastung der spielenden Kinder ausgesetzt ist. Ausserdem hebt die Baumwurzel dahinter die ganze Bank. Der Hund hat ursprünglich mal geradeaus geschaut, jetzt guckt er fast ganz nach unten. Da wird man irgendwann mal eine Lösung finden müssen ….

Aber ich mache das natürlich auch bei privaten Kunden. Im Grunde genommen mache ich es aber nicht so gern, ist ja eher langweilig, immer die gleiche Arbeit weitermachen. Auf der anderen Seite sehe ich es im erweiterten Kunstbegriff so, dass das Pflegende ja auch eine schöne Handlung ist. Die Energie, die ich in das Werk stecke, kommt auch wieder zurück. Das Werk strahlt mich dann neu an, es ist eine Art Liebe oder Zuwendung zu dem Werk und den Leuten, die es gekauft haben und so baut man die Verbindung neu auf. Es ist eben nicht nur «kaufen, aufstellen und Tschüss», sondern man kümmert sich drum. Das ist ja ein grundsätzlicher Gedanke von mir, dass ich nicht zu dieser Wegwerfgesellschaft gehören will. Dass ich Freude an alten Sachen habe und diese erhalten möchte.

Welches Holz benutzt du?

Am Anfang habe ich alles genommen, was herumlag, aber inzwischen nehme ich eigentlich nur noch Eichenholz. Eiche ist in grosser Menge vorhanden. Ich brauche ja nicht den Stamm, sondern eher die Äste. Durch die spezielle Form ergibt sich ein Stück weit schon das Werk, ist die halbe Arbeit fast schon gemacht. Ich richte mich also bei dem Werk auch nach der Form. Es kann sich auch eine Überraschung ergeben, z.B. durch ein Astloch oder eine faule Stelle.

Neben Eiche verarbeite ich auch Robinie, Eibe und Lärche. Alle anderen Hölzer eignen sich eher nur für Innenräume.

Welche Werkzeuge benutzst du?

Ich habe eine Kettensäge, das ist das Hauptwerkzeug. Alles andere sind Handwerkzeuge, alle Feinheiten - auch Gesichter - macht man mit denen. Zwischendurch benutze ich immer wieder die Säge. Später dann auch verschiedene Schleifwerkzeuge. Es ist das Zusammenspiel von Handwerkzeug und Maschinen. Ich arbeite aber lieber mit dem Handwerkzeug, weil es sauber und ruhig ist. Sobald eine Maschine zum Einsatz kommt, dann staubt es, man wird dreckig und es lärmt. Dann bin ich immer froh, wenn ich die Maschine wieder abstellen kann.

Wie lange brauchst du für eine Bank?

Es kommt natürlich sehr darauf an, wie gross und wie detailreich sie ist. Und gross heisst nicht unbedingt länger, klein ist manchmal anspruchsvoller, da muss man vorsichtiger sein, bei den grossen Sachen kann man auch mal zuschlagen, im wahrsten Sinne des Wortes.

Es ist auch nicht so, dass ich eine Sache beginne und dann in einem durchziehe. Es geht ja auch um Inspiration, Material, Witterungsverhältnisse – es sind mehrere Schritte. Erst einmal muss ich das Holz haben, dafür treffe ich mich eventuell mit dem Förster, dann muss ich den Lastwagen organisieren, den Lagerort organisieren etc. Dann müssen die Rinde und Splinte entfernt werden. Dann macht man einen Entwurf und irgendwann ist der Tag da, an dem man mit der Kettensäge mal mit der Sitzfläche anfängt. Danach fängt dann die Feinarbeit an mit ausarbeiten, schleifen und anmalen. Für das Fussteil gibt es verschiedene Möglichkeiten, die wieder Arbeiten nach sich ziehen. Wenn die Bank fertig ist, ist sie ja noch nicht verkauft. Dann ist erst die Hälfte der Arbeit getan.

Es muss eine Ausstellung organisiert sein, dort besprochen werden, wie die Einladung aussieht, ein Pressetext geschrieben werden, die Bank hinbringen, zur Vernissage da sein, vielleicht auch noch zur Finissage, immer etwas Schlaues sagen, und wenn ich Pech habe, kann ich die Bank auch wieder abholen, ohne dass sie verkauft wurde. Es sind so viele Arbeiten zu tun, so dass die eigentliche Schnitzarbeit am Ende nur 10 - 20% ausmacht.

Schaffst du lieber am Tag oder in der Nacht?

Früher habe ich gern die Dämmerungsstunden genutzt. Gerade bei einer grösseren Arbeit sieht man die Schatten im Zwielicht und findet Formen. Dann sieht man dort z.B. ein Auge oder eine andere Form. Aber sonst ist es natürlich ein ganz normaler Arbeitstag, wie alle anderen auch. Es ist ein handwerklicher Beruf, wo man genauso diszipliniert arbeiten muss und da die Arbeit meist draussen stattfindet, ist die Nacht eigenlich nicht so geeignet zum Arbeiten.

Du machst ja auch viele textile Werke, wie die Seelenwärmer. Wie bist du darauf gekommen?

Das hat eigenlich schon sehr früh angefangen. Schon als ich KV-Lehrling war, habe ich mir Sterne auf die Stiefel gemalt. Ich bin ja in der 68er-Zeit aufgewachsen. In der Hippie-Zeit war es modern, sich Flicken auf die Hose zu machen. Gleichzeitig war es ja auch eine politische Aussage: »Ich werfe die Hose nicht weg, sondern mache einen Flicken drauf.» So habe ich auch meine Kleidung gestaltet. Ausserdem ist es die Doppelnutzung der Zeit –ich kann nähen und mich unterhalten.

Auf die Seelenwärmer bin ich vor noch nicht so langer Zeit gekommen. Ich habe ja eine Sammlung von teilweise sehr alten Papier-Devotionalien. Da ich die nicht weiterverwenden kann, habe ich sie kopiert. Erst habe ich sie auf Wäsche genäht. Irgendwie glaube ich, dass das Bild mir hilft oder mich schützt. Daraus ist dann die Idee der Täschli entstanden.

Wie lange wohnst du schon hier im Morgenland?

27 Jahre wohne ich schon hier. Als ich angefangen habe zu künstlern, habe ich an der Obergasse 4 gewohnt, danach an 14 verschiedenen Orten gelebt. 1995 habe ich dann das Haus hier mieten können,das eigentlich auch irgendwann abgerissen werden sollte. Letztendlich sind dann aber doch 14 Jahre daraus geworden. In der Zwischenzeit haben sich recht viel Figuren und Sammelgut angesammlet, so dass ich unmöglich in ein kleines Atelier hätte zügeln können. Ich hätte höchstens ein in Bauernhaus auf dem Land wechseln können, aber das wollte ich auch nicht. Und dann hat es sich ergeben, dass ich von der Stadt gegenüber eine Wiese im Baurecht für 30 Jahre pachten könnte, musste sie allerdings auf eigene Kosten erschliessen. Ich habe alles so hergerichtet, dass ich meine Sachen dort abstellen konnte. Anfangs waren es nur eine Wohnbaracke und ein Sanitärcontainer, ähnlich wie ein Zeltplatz. Ursprünglich war die Idee,einen Park anzulegen. Ich habe dann aber hier und dort Dächer aufgestellt gegen den Regen, so dass es jetzt nach 13 Jahren eigentlich zugebaut ist. In die Höhe könnte ich noch bauen, bis zu fünf Stockwerke, das wäre aber bei Wind ein Problem mit meinen provisorischen Bauten. Ausserdem habe ich ja keine Baubewilligung für ein Gebäude bekommen, sondern für eine Kunstinstallation. Jetzt stellt sich für mich die Frage, wie ich weitermache. Ich habe so viele Kunstwerke, genug um eine Filiale zu gründen. Vielleicht in Kooperation mit jemand anderen?

Was würdest du gerne noch kreativ machen?

Ich habe so viele andere Kunstwerke auf allen Ebenen, auch Schriftstücke und Zeichnungen. Da frage ich mich immer wieder, wie ich das alles mal sortiere. Ich muss mich immer gut konzentrieren, was heute wichtig ist.

Ich würde gerne noch ein perfektes Gebäude aufstellen, wie einen Tempel, als öffentlichen Ort gestalten. Es wäre die Idee, einen Treffpunkt zu gestalten, so wie es das Morgenland auch ist. Ich habe das ja nicht für mich gemacht, das ist noch ein wichtiger Aspekt. Ich habe schon immer solche Orte geschaffen. Meine Wohnungen sind immer Partyraum gewesen. Ich habe Geburtstage, Walpurgisnacht und weiss ich nicht was, zelebriert. Im Wald mit meinen Kunstwerken eine Kulisse geschaffen, wo sich Leute treffen konnten. Sozusagen eine soziale Plastik. Wichtig ist mir, was mit den Menschen in diesem Ambiente passiert. Dass sie angeregt sind, dass sie kommen und reden, dass sie selber das Gefühl haben, auch so etwas zu machen. So befruchtend auf die Gesellschaft zu wirken, das ist mir wichtig. So ist es auch mit den textilen Kunstwerken. Das ist ja nicht wie ein Bild, das in der Wohnung hängt, sondern man wird gesehen und wirft Fragen auf: «Was ist denn das für einer?» «Wer bin denn ich daneben?». Das kann zu Ausgrenzung führen, mit der ich dann auch fertigwerden muss. Daher fühle ich mich am wohlsten in meinem Freundeskreis, in dem das abgesegnet ist, wo sich Gleichgesinnte treffen. Ich nenne das «die Freunde schöner Kleider».

Schönheit ist für mich eine Ausdrucksform von Religion. Man kann ja von den Religionen halten, was man will, aber sie haben schöne Sachen entstehen lassen. Die schönsten Gebäude, Lieder sind im Rahmen der Religionen entstanden, zu Ehren Gottes. Das ist vielleicht auch noch ein philosophischer Punkt. Es geht ja nicht zu eigenen Ehren. Man hat auch die eigenen Talente nicht selbst erschaffen, die sind einem geschenkt worden. Es geht nicht um Selbsbeweihräucherung, sich selbst gross zu machen. Man ist kein toller Typ, ausser es wird einem geschenkt, ein toller Typ zu sein. Und dann ist die Ehre bei der Macht, die einem die Kraft gegeben hat und die ist jeden Tag gefährdet. Weil jeden Tag kann etwas passieren und dann bist du Niemand mehr. Das Zeigen der Kunst soll ein Geschenk an die Welt sein, man soll sich verschenken. Darum ist das Kommerzielle für mich nie wichtig gewesen. Das Geldverdienen ist als eine Randerscheinung zu sehen, nie, um Luxus zu finanzieren, das ist vollkommen irrelevant. Mir ist es eher darum gegangen, wie ich mir optimale Produktionsbedingungen schaffen kann. Auch ein Fest ist eigentlich ein Produkt, das ich für Gesellschaften biete und nicht die Frage, was ich konsumieren könnte. Ich kann gut mit Gschwellti leben (lacht).

Ich habe immer auf meine Gesundheit geachtet. Ich habe das Rauchen und Trinken aufgegeben. Das Künstlerleben ist eigentlich sehr diszipliniert, bürgerlich, seriös. Das Phantastische ist ein Teil, wird aber nur wahr, wenn man es auf die Erde holt. Das habe ich auch in der Hippie-Zeit gelernt, als man auf Drogen abgefahren ist. Viele von meinen Freunden haben sich ruiniert und sind gestorben, weil sie es mit den Drogen übertrieben haben. Darum muss man das Phantastische mit dem Seriösen verbinden, damit es funktioniert.

Verena Weiss in ihrem Töpfer-Bauwagen

Werkplatz: Vielen Dank, dass ich heute bei dir sein darf, an diesem schönen Ort! Das ist ein Bauwagen, wo wir sind. Wie bist du auf die Idee gekommen?

Verena Weiss: Die Idee war eigentlich eher ein Prozess. Angefangen hat es mit der Idee einer kleinen Vitrine, die ich für meine Waren vor dem Haus aufstellen wollte. Wir wohnen an einer Quartierstrasse, da kommen viele Passanten vorbei. Getöpfert habe ich immer im Keller, dort ist es aber kalt und es gibt kein Tageslicht. Und je mehr ich dort gearbeitet habe, desto grösser wurde der Wunsch nach einem schöneren Ort. Und die Idee mit dem Bauwagen ist mir gekommen, weil ich früher mal eine Zeitlang in Rikon beim Zirkus Pipistrello in einem Bauwagen gewohnt habe. Das hat mir sehr gut gefallen.

Die Suche nach einem passenden Bauwagen war gar nicht so einfach, weil er nicht grösser als ein Parkplatz sein durfte. Ein Karosseriebauer hat mir dann das Fenster eingebaut und den Wagen nach meinen Wünschen umgebaut. Den Innenausbau habe ich mit meinem Mann zusammen fertiggestellt.

Und wie lange schaffst du schon in diesem Bauwagen?

Ich bin jetzt seit 4 Monaten hier. Den Winter über haben wir den Wagen ausgebaut und seit Anfang Frühling bin ich hier. Der Brennofen steht aber noch im Keller.

Wegen der Kinder kann ich momentan nur dreieinhalb Tage fix einrichten. Aber immer wenn ich sonst noch Zeit habe, töpfere ich.

Ist das Töpfern dein Beruf oder ein Hobby?

Im Moment ist es sicher noch Hobby, ich möchte es aber immer mehr ausbauen. Ich mag die Bewegung beim Drehen und sehe gern, wie etwas Neues entsteht. Diese Freude kann ich teilen, wenn ich das Stück jemanden verkaufen kann, der wiederum Freude mit dem fertigen Stück hat. Das motiviert mich sehr.

Auch das Meditative begeistert mich. Zuerst hat man diesen Klumpen Ton, legt ihn in die Mitte der Drehscheibe. Am Anfang sieht alles etwas chaotisch aus, eiert da so rum und du musst es erst einmal in die Mitte bringen, zentrieren nennt man das. Beim Meditieren zentrierst du dich auch, seelisch. Für mich gibt es einen Zusammenhang: wenn ich den Klumpen Ton in die Mitte gebracht habe, zentriert sich auch bei mir etwas, hilft mir in meine innere Mitte.

Seit wann übst du das Handwerk aus?

Oh je, das weiss ich gar nicht mehr, aber sicher seit vier oder fünf Jahren.

Welchen Ton verwendest du am liebsten?

Der Ton, den ich meistens verwende, heisst «Weisse Masse» und kommt aus der Toskana. Er enthält kein Schamott und eignet sich daher gut zum Drehen.

Wie lang brauchst du für ein Stück?

In einem ersten Schritt werden die Gefässe auf der Scheibe gedreht. Sobald sie angetrocknet, «lederhart», sind, kann man sie noch von unten bearbeiten, d.h. man dreht sie auf den Kopf und bearbeitet den Fuss und bringt eventuell einen Henkel an. Sobald sie vollkommen trocken sind, werden die Stücke zum ersten Mal gebrannt. Auf die rohgebrannten Waren drucke ich die Motive und glasiere. Dann wird nochmals gebrannt. Wie viel Zeit ich genau für ein Stück investiere, möchte ich lieber nicht so genau wissen…(lacht).

Wie verarbeitest du Frust, wenn dir Stücke beim Brennen zerbrechen?

Tja, das finde ich sehr schade, aber das passiert. Das gehört dazu! Es gibt solche Tage, an denen mir beim Drehen nichts gelingen will.

Wir haben uns gefragt, wie die Motive auf die Becher, Tassen, Teller kommen?

Mit Siebdrucktechnik.

Woher nimmst du deine Inspiration für die Motive?

Meist kommen die Motive aus der Natur – ich liebe die Natur!

Hast du ein Lieblingsmotiv?

Ja, die Linde und Tiere mag ich besonders.

Woher kommen deine Motive?

Einige habe ich gekauft und andere habe ich fotografiert.

Du hast bis jetzt Bäume und Insekten auf deinen Tassen verewigt – planst du für die Zukunft neue Motive?

Als nächstes werde ich Vögel auf die Töpfereien bringen. Ich hab mit dem Rotkehlchen als Druck schon angefangen und würde gerne eine Vogelserie machen.

Vielleicht kannst du noch etwas zu den Farben sagen, die du für die Glasuren wählst?

Ich nehme immer die Farben, die mir gerade gefallen. Im Moment sind das eher gedeckte, erdige Töne, Türkis- und Blautöne. Knallige Farben verwende ich eher nicht.

Vielen Dank, Verena, für diesen Einblick in deinen kreativen Bauwagen und dieses schöne Handwerk!

Sonja Feuz von der Handsetzerei am Lagerplatz

Werkplatz: Ich bin heute in der Handsetzerei.ch am Lagerplatz bei Sonja Feuz. Sonja, ist das hier eigentlich die einzige Handsetzerei in Winterthur?

Sonja Feuz: So mit einzelnen Lettern, ja, wohl schon.

Es gab noch eine Setzerei im Geiselweid, die aber schon vor einiger Zeit geschlossen wurde.

Seit wann gibt es die Handsetzerei?

Ich habe schon während meiner Lehre angefangen, verschiedene Schriften zu kaufen, das war in den 80er-Jahren. Da haben viele Druckereien von Blei- auf Fotosatz umgestellt und die Blei-Schriften verkauft. In der Zeit habe ich auch meine erste Druckmaschine gekauft. Die stand erst bei meinen Eltern in der Garage. Als dann die ersten Freunde geheiratet und Kinder bekommen haben, habe ich neben der Arbeit mit kleineren Karten-Aufträgen für deren Anlässe angefangen.

Was hast du denn für eine Ausbildung gemacht?

In meinem Fähigkeitsausweis steht noch «Schriftsetzerin», das war der letzte Jahrgang, danach hiess es «Typografin», «Polygrafin» oder» Mediengestalterin digital und print». Die Zahlen derjenigen, die diese Ausbildung machen, ist stark zurückgegangen, auch viele Druckereien haben geschlossen.

Hier am Lagerplatz bin ich seit 2006. Wir haben ein Gemeinschaftsatelier, anfangs zu fünft, darum der Name «Füf», nun habe ich aber zwei Räume hier, darum sind wir nun noch zu viert.

Warum machst du das hier, was ist deine Leidenschaft?

Ich habe lange nicht gewusst, was ich lernen will. Ich habe noch das 10. Schuljahr gemacht und danach das Haushaltslehrjahr. Irgendwie bin ich dann auf das Berufsbild «Schriftsetzerin» gestossen. Ich hatte einen sehr guten Lehrbetrieb, wo mit Blei- und Fotosatz gearbeitet wurde. Blei war zu der Zeit eigentlich nicht mehr aktuell, hat mich aber sehr fasziniert. Deshalb habe ich mir eine eigene kleine Bleisetzerei zugelegt und immer ein bisschen damit gearbeitet. Dann gab es eine Zeit, in der ich das Drucken nicht so intensiv verfolgt habe, vor allen Dingen als die Kinder noch klein waren. Als wir dann aber mal eine Werkschau im Atelier gemacht haben, habe ich wieder angefangen. Das Haptische, das Papier finde ich sehr interessant. Auch das Handwerk gefällt mir. Ich bin einfach ein «Schriftmensch».

Was war dein grösster Auftrag bisher?

Das war eine Weihnachtskarte für die Jugendmusikschule Winterthur. (lacht) Dann habe ich noch die Einladungskarten für eine Galerie gemacht, über zweieinhalb Jahre habe ich pro Jahr 6 Karten gemacht, das war so eine Art Dauerauftrag.

Hast du ein Lieblingswort?

Oh, das ist schwierig, da kann ich mich nicht auf eins beschränken (lacht). «heiterefahne» finde ich cool, «erdbeerenpflücken» ist auch schön für den Sommer, oder «barfusslaufen», «Schneeflocke»…

Machst du nur Karten oder druckst du auch andere Produkte?

Mit einer Kollegin zusammen habe ich Tischsets und Servietten für Weihnachten bedruckt. Plakate habe ich auch schon gedruckt. Bierdeckel mache ich viel, weil ich gemerkt habe, dass heutzutage weniger Karten geschrieben werden. Ausserdem habe ich einen Geburtstagskalender gestaltet. Aber am meisten mache ich doch Karten.

Was möchtest du noch gern (anderes) machen?

Es würde mich reizen, in Richtung Kunst zu gehen, Ideen habe ich auch schon – noch so ein brotloser Job (lacht laut). Geschenkpapier wäre noch so eine Idee, ist aber sehr aufwändig.

Gibt es jemanden, der dich inspiriert hat.

Das war sicher mein damaliger Chef während der Lehre. Er hat schon bald das Potenzial in mir gesehen und hätte mich am liebsten noch während der Lehre für die Weiterbildung zur «Typografischen Gestalterin» angemeldet. Nah dem Lehrabschluss habe ich diese in Zürich absolviert.

Es gibt schon ein paar Gestalter, die mir gefallen, zum Beispiel die Vertreter der Konkreten Kunst, wie Bill, Tschichold oder van Doesburg und die Schweizer Typografie aus den 50er Jahren. Meine Sachen sind ja deshalb so schlicht, weil ich finde, dass es zu wenig schlichte Karten auf dem Markt gibt. Es gibt aber leider auch so wenig Kunden, die diese schlichten Karten suchen, das ist ja mein Problem. Ich habe aber trotzdem meine Kundschaft, die meinen Stil schätzt.

Mit welchem Handwerkszeug arbeitest du?

Bleiletter, Winkelhaken, Typometer, Pinzette, Fadenzähler…(lacht).

Wenn du etwas machst, wie gehst du vor? Wie entstehen deine Werke?

Das ist unterschiedlich. Mal skizziere ich, mal fange ich am Computer an. Manchmal habe ich eine Schrift, mit der ich etwas machen möchte, für die ich mir z. B. ein Wort überlege, das gut zu ihr passt. Wenn ich Karten mit Kuvert gestalte, fange ich beim Kuvert an. Mir ist das Kuvert so wichtig, dass ich davon ausgehe, weil es sonst manchmal schwierig wird mit dem Format.

Wie alt sind deine Druckmaschinen und woher kommen sie?

Die grosse Presse ist von 1960. Die Kleine (oben rechts im Bild), mit der ich vor allem die Bierdeckel drucke, ist aus den 50er Jahren. Gefunden habe ich z. B. die grosse Maschine im Anzeigenmarkt der Zeitschrift «Druckindustrie». Ich wollte eine Maschine ohne Strom, damit ich unabhängig bin. Ich habe beim Verkäufer kurz angerufen und gefragt, ob die Maschine noch in Ordnung sei. Der Verkäufer bejahte und dann habe ich sie mir einfach schicken lassen, ganz auf Vertrauensbasis. Die kleine Maschine habe ich über Ricardo erstanden und die dritte Maschine kam über den Kontakt einer Kollegin zu mir.

Kannst du Reparaturen und Unterhalt an den Maschinen selbst durchführen?

Bis jetzt schon…mein Mann und Bruder unterstützen mich. Mein Sohn macht gerade eine Lehre zum Polymechaniker und kann demnächst auch helfen. So manchmal komme ich aber schon an meine Grenzen. Ich halte die alten Maschinen gerne «in Ehren» und habe Mühe damit, so beherzt wie die Jungen an die Reparatur zu gehen. Ich habe die Einschränkung ganz gern, mit dem, was ich habe, klarzukommen. Das fordert mich heraus. Aber manchmal tun mir die «jungen Wilden» auch ganz gut, die irgendeinen Weg finden, das zu machen, was sie im Kopf haben.

Du arbeitest ja eher alleine, gefällt dir das oder fehlt dir manchmal das Team?

Es ist so ein bisschen beides. Einige Werke habe ich ja mit der Atelierkollegin zusammen gestaltet, das hat viel Spass gemacht, weil man auf eine Art zusammen stärker ist. Auch der Geburtstagskalender ist ein Gemeinschaftsprojekt zusammen mit einer typografischen Gestalterin-Kollegin, das wir noch weiterverfolgen. Den Austausch finde ich sehr schön und habe ihn ja auch mit den anderen Atelierkolleginnen.

Gibt es bestimmte Zeiten, an denen du im Atelier bist?

Ja, mittwochs bin ich eigentlich immer da. Wenn ich Aufträge habe, natürlich auch öfter, was kein Problem mehr ist, seitdem die Kinder grösser sind.

Gibt es in der Schweiz einen Verband oder Verein oder etwas ähnliches für euch Schriftsetzer und Drucker?

Ja, und es gibt eine Broschüre über Bleisatzateliers in der Schweiz. Alle zwei Jahre gibt es in Frauenfeld die Buch- und Druckkunstmesse, zu der auch Aussteller und Besucher aus dem Ausland kommen. Das ist eine grossartige Veranstaltung!

Möchtest du noch etwas ergänzen, was habe ich nicht gefragt?

Ja, vielleicht noch, dass das, was ich hier mache, 1450 von Gutenberg erfunden wurde, also vor 570 Jahren.

Vielen Dank, Sonja, dass du uns dieses schöne alte Handwerk heute näher gebracht hast!

Bea Sutter an ihrem Näh-Werkplatz

Bea Sutter hatte schon als Kindergartenkind eine Vorliebe für alles Textile. Über einen kleinen Umweg als Kindergärtnerin hat sie sich nun einen Traum verwirklicht und näht schöne Dinge aus noch schöneren Stoffen und anderen Materialien. Im Werkplatz verkaufen wir ihre Taschen, Portemonnaies und andere handgearbeiteten Kleinigkeiten für Gross und Klein. Bei ihr zu Hause durften wir einen Blick in ihre Nähstube werfen.


Vielen Dank, Bea, dass wir hier bei dir Daheim sein dürfen, so ganz privat, in deiner Nähstube. Wie lange wohnst du schon hier?

Hier wohne ich inzwischen seit acht Jahren.

Und seit wann hast du dir diese Nähstube eingerichtet?

Noch nicht so lange als Nähstube. Ich habe zwar immer eine Nähmaschine gehabt und oft kleine Abänderungen an neu gekauften Kleidungsstücken gemacht, die nicht so gut gesessen haben. Irgendwann habe ich gefunden, es wäre noch schön, eine Overlockmaschine zu haben, denn bei T-Shirts bin ich mit der normalen Maschine oft nicht mehr weitergekommen. Dann hat die Nähmaschine, die ich noch von meiner Mutter hatte, so eine alte grüne von Bernina, mit der man eigentlich nur geradeaus und zickzack nähen konnte, ihren Geist aufgegeben. Daraufhin habe ich mir eine schöne, neue, moderne Maschine geleistet, und mit der ist dann die Lust immer grösser geworden, mehr zu nähen. So wirklich intensiv als Hobby oder auch als Ausgleich zu meinem Beruf betreibe ich das Nähen erst seit zwei Jahren. Seitdem entstehen die Sachen, mit denen ich auch «hausieren» gehe, wer sie verkaufen möchte (lacht). Oder dass Leute mich anfragen, ob ich etwas für sie nähe. Davor habe ich kleine Geschenke genäht für Freunde oder Familie, aber nie so, dass ich den Schritt gewagt hätte, wie jetzt bei Euch, in einen Laden zu gehen und anzufragen.

Was hast du ursprünglich gelernt?

Ich bin Kindergärtnerin. Ich habe als Kind schon sehr gerne Handarbeiten gemacht. Ich konnte schon als Kindegartenkind stricken und habe aus Stoffresten immer Kleider für meine Puppen gemacht. Ganz lange habe ich Handarbeitslehrerin werden wollen. In Oberstufe hat mir das aber meine eigene Handarbeitslehrerin ausgeredet mit den Worten: «Weisst Du Bea, da kommen nun auch Buben in die Nähschule und dann kannst du da die ganze Zeit «nur» Werken! Das gefällt dir dann sicher nicht mehr, Bea!» Irgendwie habe ich das der Lehrerin geglaubt (lacht). Aber der Beruf der Kindergärtnerin hat mich auch sehr interessiert und fasziniert. Also bin an das «Kindergarten- und Hortseminar» gegangen, wie es damals hiess, und dort meinen Abschluss als Kindergärtnerin gemacht. In dem Beruf habe ich dann 20 Jahre gearbeitet. Auch im Kindergarten habe ich immer sehr gerne Handarbeiten mit den Kindern gemacht.

Welches sind deine Lieblings-Nähprojekte?

Immer wieder ein Neues! Ich habe natürlich jetzt ein paar Produkte, die ich immer wieder nähe, in verschiedenen Formen und Farben. Wenn ich ein etwas anspruchsvolleres Projekt hinter mir habe, freue ich mich auch wieder auf ein einfacheres Projekt, bei dem man nicht soviel nachdenken muss und auch ein bisschen Musik nebenher hören kann. So wie zum Beispiel meine Frottee-Kosmetikpads, bei denen ich nur rundum nähen muss (lacht).

Und dann nähe ich ja zwischendurch auch mir selber etwas. Das ist immer besonders spannend, weil ich das Handwerk ja nicht von Grund auf gelernt habe und z.B. ein Kleid immer wieder anprobieren und mit Nadeln abstecken muss. Wenn es dann am Schluss aber so gut sitzt, dass ich es mir Freude trage, habe ich schon ein Glücksgefühl. So ist jedes Projekt irgendwie ein Lieblingsprojekt.

Wie bist du auf den Labelnamen «fabulös» gekommen?

Ich habe vor ca. 8 Jahren mal eine recht intensive Phase mit Stricken und Häkeln gehabt, da ist das Nähen noch gar nicht so im Vordergrund gestanden. Ich habe mit ganz dicker weicher Wolle Mützen und Bérets im französischen Stil gehäkelt. Zum Teil habe ich sie verziert mit gehäkelten Rosen aus Mohairwolle mit grünen Seidenblättern an einer Anstecknadel. Die Wolle fand ich ein bisschen fabulös, sie ist ja auch märchenhaft, «fabulous» wie im Englischen. Vielleicht gefällt mir der Name aber auch, weil er so viel Raum für verschiedene Produkte lässt. Fabulös kann für mich irgendwie alles sein. Der Name ist mir aber nicht irgendwie so zugeflogen oder hat eine tiefere Bedeutung.

Was inspiriert dich?

Die Mode, aber nicht unbedingt die, die gerade in Mode ist (lacht). Ich habe Freude an Textilien, Farben, Mustern, unterschiedlicher Haptik von Stoffen. Ich überlege mir gern, was wozu passt und ob es nicht noch schön wäre, ein selbst genähtes Täschchen in der richtigen Farbe zu haben.

Manchmal sehe ich etwas in einem besonderen Stil und dann möchte ich es selbst herstellen. So wie die Bügelportemonnaies, die mir schon als Kind gefallen haben. Wenn ich schöne Stoffe sehe, überlege ich mir, was man damit alles Schönes nähen kann, das kann mich im Herzen berühren!

Was ist dir wichtig, wenn du etwas nähst?

Für mich ist es der schöne Prozess vom neuen Stoff über das Nähen zu einem selbst gemachten Produkt zu kommen. Das Selberherstellen ist es; jeder Schritt braucht Zeit, Aufmerksamkeit und Sorgfalt. Das bringe ich mit, die Freude am genauen Arbeiten. Es stecken Stunden Arbeit darin, aber am Ende hat man etwas, das hier gemacht wurde. Man kann natürlich irgendwo eine Tasche kaufen, die auch cool aussieht, aber man weiss eben nicht so genau, wer an der Nähmaschine gesessen hat.

Mit Kleidung ist es das gleiche. Man realisiert, dass das Nähen mit Arbeit, Zeit und Aufwand verbunden ist, aber hinterher ist die Freude doppelt und dreifach so gross über das neue Stück. Ich glaube, es gibt viele Leute, die das in der heutigen Zeit wieder schätzen, wenn sie wissen, dass ihre Kleidung hier hergestellt wurde und einsehen, dass das einen höheren Preis rechtfertigt.

Wo findest du deine Stoffe?

Eigentlich bin ich ein visueller Mensch. Ich muss die Stoffe dort beziehen, wo ich sie auch ansehen und anfassen kann. Ich habe auch schon Stoffe im Internet bestellt, bin aber oft enttäuscht worden, wenn der Stoff dann nicht so aussah, wie auf dem Foto.

Was planst Du für neue Projekte?

Ja, das überlege ich mir auch gerade, ich kann es gar nicht sagen. Ich plane gerade für den Nachtbazar beim Lagerplatz und bin auf der Suche nach etwas, das noch niemand gemacht hat (lacht). Das ist aber fast unmöglich, die Kunst ist es wahrscheinlich, eine originelle Variation zum Bisherigen zu finden, z.B. die Stoffkombination beim Necessaire oder eine gehäkelte Rose am Bügel-Portemonnaie. Das ist es dann hoffentlich, was den Unterschied macht, warum jemand eine Sache von mir und nicht woanders kauft. Ich möchte mich aber mit dem Nähen nicht zu sehr unter Druck setzen und es lieber auf mich zukommen lassen.

Ganz lieben Dank für Deine Zeit und dass wir Einblick in dein Näh-Reich bekommen durften.

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Weitere Einblicke gibt's bei Instagram unter fabuloes4840

Martin Benz-Teroni in der Seilerei Kisling

Martin Benz-Teroni ist der Hüter eines ganz besonderen Ortes: die Seilerei Kisling ist seit 1878 nahezu unverändert und somit ein Kleinod der Industriekultur. Als Quereinsteiger hat Martin mit 28 Jahren nochmal die Schulbank gedrückt und das Handwerk des Seilers gelernt. Nun führt er seit 16 Jahren eine der letzten Seilereien in der Schweiz.

Wir freuen uns, dass Martin sich heute für uns Zeit genommen hat um uns in die Geheimnisse der Seilherstellung einzuweihen.

Martin, herzlichen Dank, dass wir heute zu Gast sein dürfen in deiner schönen Seilerei. Wie bist du zum Beruf des Seilers gekommen?

Ursprünglich habe ich eine Lehre als Zimmermann gemacht und auf dem Bau gearbeitet. Dann habe ich die Abendschule besucht und mich zum Bauleiter weitergebildet. In dieser Zeit habe ich Albert Kisling – zufällig – kennengelernt. Vorher habe ich gar nicht gewusst, dass Winterthur eine Seilerei hat. Mit hat es dort so gut gefallen, dass ich gedacht habe: «Das wär’s jetzt für mich!». Ich bin dann recht hartnäckig geblieben und habe Albert Kisling überredet, mich als Lehrling zu übernehmen. Seine Bedingung war, dass ich den Betrieb später übernehme, denn er war ja zu dem Zeitpunkt schon fast 80 Jahre alt.

So habe ich dann quasi in Teilzeit meine Ausbildung zum Seiler gemacht. Weil der Lehrlingslohn nicht gereicht hätte, habe ich mich mit Zweitjobs über Wasser gehalten. Dann habe ich mich irgendwann zur Lehrabschlussprüfung angemeldet. Das war mir sehr wichtig. Wenn ich schon einen Betrieb habe, will ich auch den Beruf erlernt haben. Drei Monate nach dem Abschluss habe ich den Betrieb übernommen. Das ist jetzt 16 Jahre her.

Wie lange brauchst du, ein Seil herzustellen?

Das ist sehr schwer zu beantworten. Es gibt so viele verschiedene Seile. Die Seilherstellung ist ein Prozess, der in der Regel zwischen einem halben Tag und 2-3 Tage dauert, bis das fertige Seil vor einem liegt. Der eigentliche Seilvorgang, bei dem das Seil aus den einzelnen «Fäden» entsteht, ist eine Sache von fünf Minuten. Die einzelnen Schritte davor können aber auch mal einen ganzen Tag oder sogar Woche füllen.

Wie lang ist das längste Seil, dass Du gemacht hast?

Gedrehte Seile können nicht länger als das Gebäude sein. Die «Reeperbahn» ist ca. 100m lang, beim Drehen zieht sich das Seil noch etwas zusammen, so dass wir am Schluss ein Seil von 75m Länge haben. Bei den geflochtenen Seilen kann man theoretisch endlos produzieren. Das längste Seil, das wir hier gemacht haben, war 2 km lang.

Und das Kürzeste?

So um die 30 cm. Das sind dann aber nur Muster für Kunden.

Aus welchen Materialien sind die Seile?

Da gibt es unglaublich viele Möglichkeiten. Wir arbeiten viel mit einem Hanfimitat, also ein Kunststoffmaterial, das aussieht wie Hanf, aber nicht verwittert, z. B. für den Spielplatzbau. Bei den Produkten, die man viel in der Hand hat, wo es vor allen Dingen um die Optik geht, nimmt man Naturstoffe, z. B. Baumwolle. Wenn wir mehr Reissfestigkeit brauchen, nehmen wir Flachs oder Hanf. Jute, Kokos, Sisal sind weitere Naturstoffe, aus denen wir Seile fertigen, je nachdem, was der Kunde wünscht.

Wie werden die Seile eingefärbt?

Ich nehme gefärbte Baumwolle. Der grösste Teil wird in der Schweiz eingefärbt, das mache ich nicht selbst. Hierfür werden die Seile von den Lagerspulen auf spezielle Färbespulen mit Löchern umgespult und dann in Druckbehälter gefärbt. Das Färben ist ein komplexer Prozess, den ich nicht selbst durchführen kann.

Wie bist du auf die Idee mit der Seilgarderobe gekommen?

Wir machen schon lange für Figurengestelle, z.B. für Krippenfiguren, spezielle Seile, in denen Draht eingeflochten ist, so dass man die Arme und Beine bewegen kann. Und dann hatte ich irgendwo mal ein Dekostück mit einem gebogenen Seil gesehen, das war in meinem Hinterkopf (lacht). Erst habe ich mit Draht herumprobiert, dann mit Fleischerhaken, aber das funktionierte alles nicht, die Seile hingen dann nicht mehr gerade. Es war ein Prozess, bis die Garderobe so war, wie sie jetzt ist. So etwas entwirft man nicht mal eben am Reissbrett.

Und wie bist du dann auf das Verlängerungskabel gekommen?

Das war ziemlich simpel. Es gab so viele Kunden, die nach alten Lampenkabeln gefragt haben, dass wir sie einfach wieder hergestellt haben. So kam dann auch schnell die Idee mit dem Verlängerungskabel. Das gibt es nach wie vor nur von uns. Ich versuche, mit unseren Produkten immer ein bisschen individuell zu bleiben, damit wir uns von der Masse absetzen.

Welches ist Dein Lieblingsprodukt?

Das kann ich so gar nicht sagen. Wahrscheinlich das Garderobenseil. Das gefällt mir einfach von der Idee her, die Verpackung und Beschriftung. Aber die Herstellung ist natürlich nicht so spannend. Wenn man ein Trapezseil macht und dann hinterher im Zirkus im Rang sitzt uns sieht, wie an deinem Seil geschafft wird, dann ist das natürlich viel cooler. Aber davon braucht es natürlich nicht so viele. Am besten gefällt mir wohl die Abwechslung (lacht).

Hast Du noch Ideen für neue Produkte?

Eine neue Idee hätte ich schon. Aber dafür bräuchte ich eine neue Maschine, was für ein einziges Produkt natürlich ein zu grosses Risiko für unseren kleinen Betrieb ist. Mir schwebt eine Lampe aus dem Hochpreissegment vor. Auch bei den kleinen Produkten hätte ich noch Ideen. Aber soviel Ideen brauche ich gar nicht, denn unsere Kunden mit ausreichend Wüschen kommen. So sind wir gut beschäftigt mit dem, was gemacht werden muss.

Du machst ja auch Events in deiner Seilerei, was bietets du da an?

Das Gebäude allein ist sicher schon mal sehenswert, es ist ja seit ungefähr 140 Jahren nicht verändert worden. Und auch die Maschinen sind «uralt», selbst die neuste Maschine ist schon über 30 Jahre alt. Das ist für technikaffine Menschen spannend. Das Seil als solches ist mit Emotionen verbunden, jeder kennt die Sprüche «am gleichen Strick ziehen», «Verbindungen knüpfen», «Ideen spinnen», jeder kann sich darunter etwas vorstellen. Das Seil kennt jeder, kein Mensch weiss aber, wie es hergestellt wird. Also biete ich für Gruppen an, dass sie ihr eigenes Seil machen und mit nach Hause nehmen können, was oft von Firmen als Teambuilding gebucht wird. Es macht einfach Spass und es ist ein lässiger Moment, wenn du merkst, die Gruppe kommt rein, alle gucken sich so komisch an und fragen sich: «Aha, und was machen wir jetzt da?», und wenn sie wieder rausgehen, habe alle immer ein breites Lächeln auf dem Gesicht. Das ist schon toll!

Schön, dass wir heute hinter die Kulissen Deiner Seilerei schauen durften und vielen Dank für das Gespräch. Wir wünschen Dir noch viele schöne Seilmomente!

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Mehr Information zum Angebot von Martin Benz:

Seilerei Kisling

Susanne Bloch-Hänseler im Atelier Foif

Susanne Bloch-Hänseler, 40 Jahre jung, ist Kochbuchautorin, Cateringfachfrau, Food-Bloggerin und Inhaberin des Atelier Foif. Als Quereinsteigerin hat ihre Leidenschaft nach der Veröffentlichung ihres ersten Kochbuchs "123" noch die professionelle Abrundung im St. Galler Hotel Metropol erfahren, gleichzeitig der Beginn ihres persönlichen Familienglücks.


Liebe Susanne, wir sind heute bei Dir hier im Atelier Foif in Töss. Bis hier hin war es ein langer Weg, Begonnen hat alles mit deinem ersten Kochbuch "123". Wie lange hast Du an Deinem ersten Kochbuch gearbeitet?

Vom Beginn bis zum ersten gedruckten Exemplar hat es ca. ein Jahr gedauert.

Wie bist Du auf die Idee gekommen, ein Kochbuch zu schreiben?

Zuerst war es mehr ein Spass, dann merkte ich, dass ich meine Freude am Kochen und Fotografieren gerne mit anderen Leuten teilen wollte.

Was möchtest Du bei den Lesern Deines Kochbuchs bewirken?

Es soll als Grundlage, Werkzeug dienen und gleichzeitig zum genussvollen Kochen anregen.

Welches ist Dein Lieblingsrezept aus diesem Buch?

Es ist fast unmöglich sich auf eines festzulegen, aber die Vorspeise mit Feigen, Mozzarellaund Rohschinken koche ich immer wieder gerne.

Warum kam 2013 mit "Querbeet" noch ein zweites Kochbuch dazu?

In der Zwischenzeit hatte ich mich vor allen Dingen fachlich weiterentwickelt. Die Rezepte kommen immer noch mit wenig Zutaten aus, sind aber etwas anspruchsvoller und raffinierter ausgefallen. Auch die Fotografien sind ausdrucksstärker geworden und spielen eine stärkere Rolle im zweiten Buch.

Welches Rezept aus Deinem zweiten Buch ist Dein Favorit?

Allgemein entsprechen alle Rezepte meines zweiten Buches der Art, wie ich die Welt heute sehe. Aber meine Favoriten sind Naan und Pulpo Salat.

Vielen Dank, Susanne, für Deine Zeit und noch viele kreative Ideen für Deine nächsten Projekte.

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Mehr zu Susanne Bloch-Hänsler, ihren Büchern und den Möglichkeiten im Atelier Foif:

Atelier Foif

Blogg von Susanne Bloch-Hänsler

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